Ich überschreite die Ziellinie und höre über den Lautsprecher nur noch die Worte des Ansagers: „Jooohn Ruuuueth, you are an Ironman!“ und bin erst einmal froh, dass der längste Tag des Jahres wie es so schön heißt vorbei ist. So eine Langdistanz ist wirklich verdammt lang. Aber ich habe mein großes Ziel erreicht und bin sehr zufrieden mit meinem Ergebnis.
Die letzten Wochen waren geprägt von hartem Training und einigen langen Monstereinheiten, die mich auf den Ironman vorbereiten sollten. Exakt zwei Wochen vor dem großen Tag hatte ich die bis dahin längste zehn Stunden lange Trainingseinheit über 3 km Schwimmen – 150 km Rad – 30 km Laufen absolviert, die mich vor allem mental sehr gut auf das Event eingestimmt hat. Danach wusste ich: wer 3/4 der Langdistanz schafft, der kann auch die volle Distanz gehen.
Dass ich zwei Wochen vorher beim Halbmarathon in Warburton eine neue persönliche Bestzeit über 21,1 km gelaufen bin, hat für meine gute Vorbereitung gesprochen. Es hatte sich bei mir ein wöchentlicher Rythmus aus etwa drei Laufeinheiten, drei Radeinheiten und 1-2 Schwimmeinheiten eingependelt, wobei ich mindestens einmal die Woche ein Koppeltraining machen wollte – meistens am Wochenende eine längere Radausfahrt von 90-120 km gefolgt von 10-20 km Laufen. Ich hatte mir über Monate hinweg einen Trainingsplan gebastelt, an den ich mich auch grob gehalten habe.
Das Rennwochenende
Die Vorbereitungen für das Rennen an sich haben schon am Freitag angefangen als es zum Athlete-Check-In nach St Kilda (Catani Gardens) ging. Ich hatte beim kurzen Video-Briefing noch kurz die Profi-Triathletin Caroline Steffen gesehen, welche den dritten Platz bei den Frauen erreichen konnte.
Ich bin übrigens von unserer derzeitigen Wohnung in Mordialloc, was direkt an der Ironman-Strecke liegt, nach St Kilda hin- und wieder zurückgeradelt – schon irgendwie ein tolles Gefühl, wenn man direkt hier wohnt und auch wochenlang auf dem Originalkurs trainieren kann. Ich hatte also gewissermaßen „Heimvorteil“:D Ich wusste, dass es ganz schön windig werden kann beim Radfahren so wie es dann auch bei der zweiten Radrunde der Fall war.
Doch am Samstag war erst noch der Bike-Check-In, und die Rad- sowie Lauftaschen wurden auch schon deponiert. Überhaupt war dieses Event super organisiert und wurde der „sports capital of the world“ so wie das sportverrückte Melbourne auch genannt wird absolut gerecht.
Meine Freundin Bea hatte mir dann noch eine ausführliche Checkliste zusammengestellt, damit ich auch nichts Wichtiges vergesse – immerhin sind dann über zwei Dutzend Dinge zusammengekommen, die man für einen Triathlon so benötigt:
Meine Ironman-Checkliste:
– Timing Chip
– Ersatzschlauch
– Fahrradhelm
– Laufkappe
– Sonnenbrille
– Ohrenstöpsel fürs Schwimmen
– Schwimmbrille
– Schwimmhose (ich hatte mich gegen das Schwimmen im Tri-Suit unter dem Neoprenanzug entschieden, was ich weiter unten noch erklären werde)
– Neoprenanzug
– Rad- und/oder Laufsocken
– Radschuhe
– Laufschuhe
– Tri-Suit
– Handtuch
– Windjacke fürs Radfahren (brauchte ich zum Glück nicht, da sich der Wettergott gnädig zeigte)
– Rennrad / Triathlonrad
– Sonnencreme
– Vaseline
– Wasserflaschen (natürlich mit Isogetränk und nicht mit Wasser)
– Fahrradcomputer
– Garmin GPS Uhr zum Laufen
– Gels (Kohlenhydrate) und Energieriegel
– Race-Bib Gürtel
– Laufhose und Lauftop (sollte das Wetter sehr schlecht sein und man nach T2 in trockenen Laufsachen auf der Marathonstrecke starten möchte)
– Race-Bib Nummer
– und noch ein paar weitere Dinge…die dann auch in der richtigen Reihenfolge in den jeweiligen Taschen verstaut werden müssen.
Mit dieser Checkliste konnte ich eigentlich nichts mehr falsch machen, sodass ich relativ entspannt ins Rennen gehen konnte. Für die Nacht vor dem Rennen habe ich auch relativ viel geschlafen, was ja oftmals weniger der Fall ist – doch insgesamt war ich recht ruhig und wusste, dass meine Vorbereitung gut war.
Das Schwimmen
Frühmorgens um 05:45 Uhr ging es aus den Federn und neben dem obligatorischen Kaffee gab es noch drei Crumpets mit Butter, Honig und Marmelade. Um 06:30 hat uns dann Beas Bruder TJ abgeholt, der sich hier in Melbourne bestens auskennt, sodass wir auch trotz Umleitungen pünktlich angekommen sind, ich kurz meine drei Wasser-/Isoflaschen am Rad deponieren konnte und noch in der Wechselzone in meinen Neoprenanzug geschlüpft bin.
Ich wusste, dass ich den Kilometer unter 20 Minuten schwimmen kann, und im Neo ist man nochmal ein bisschen schneller, weshalb ich dann mit einer Zeit unter 1:20 h für die 3,8 km Schwimmen gerechnet habe. Obwohl ich nach ca. 1 km im Meer von links, rechts und oben angerempelt, gekratzt und sonstwast wurde, verlief die erste Disziplin recht gut für mich. Ich musste zwar mindestens fünf Mal meine Schwimmbrille auswaschen, weil sie immer wieder mit Salzwasser vollief, doch ich konnte nach 1:15 h aus dem Wasser steigen, was für mich schon mal ein Erfolg war.
In der Wechselzone habe ich mir dann auch etwas Zeit gelassen, um mich abzutrocknen und meinen Tri-Suit überzustreifen. Ich bin deswegen nicht gleich im Triathlonanzug geschwommen, da ich wusste, dass es morgens empfindlich kalt werden kann auf dem Rad und ich nicht die ersten 1-2 Stunden in nassem Outfit frieren wollte. Zwar war das Wetter außerordentlich gut, doch die letzten zwei Wochen war es deutlich kühler. Mir ging es mehr um den Komfort als die paar Minuten einzusparen, und ich würde es immer wieder so machen – vor allem bei der ersten Langdistanz. Nach einer kurzen Pinkelpause und schön viel Sonnencreme auf den Rücken ging es dann auf´s Rad.
Das Radfahren
Vor den 180 km Radfahren hatte ich den größten Respekt. Nie war ich zuvor länger als 150/160 km gefahren, was u.a. an meinem Rennradsattel und der für mich immer noch gewöhnungsbedürftigen Aeroposition lag (Aerolenker auf dem Rennrad ist halt einfach nicht das Gelbe vom Ei). Ich wollte aber auf jeden Fall einen 30er Schnitt fahren und dabei nicht allzu viel Kraft vergeuden, um beim Laufen danach nicht ganz alt auszusehen.
Nur 1 km auf der Radstrecke erlebte ich erst Mal mit, wie Triathlet 1 gnadenlos in Triathlet 2 gekracht ist, was in ein paar tausend Euro Schaden resultierte und wohl das Aus für beide Athleten bedeutete. Das ist bitter. Dabei hatte sowohl der Vordermann Mist gebaut und einfach abgebremst und der Hintermann wohl noch Salzwasser in den Augen und ist voll reingefahren. So etwas passiert, aber ist eben besonders tragisch, wenn es bei einem solchen Event der Fall ist.
Nach 5 km ging ich dann wie letztes Jahr in Königsbrunn auch auf Tuchfühlung mit einem Insekt: eine Biene hatte sich blitzschnell in meinem Top verfangen und vor ihrem Ableben noch schön tief ihren Stachel in meiner linken Brust platziert. Ich haderte ein paar Minuten mit meinem bitteren Schicksal, vergaß jedoch den stechenden Schmerz recht schnell wieder – schließlich mussten ja noch 175 weitere Kilometer runtergeradelt werden.
Ab Kilometer 30 dann der erwartete Nordwind, der mich und die anderen Triathleten ganz schön ausbremste, sodass es fast 10 km lang im Schneckentempo von 20 km/h weiterging. Danach ab in den Tunnel, was das absolute Highlight war: mit fast 70 Sachen über den Asphalt ist einfach ein gutes Gefühl, und nach dem Turn ging es dann die 45 km zurück nach Frankston in flottem Tempo weiter. Teilweise hatte ich keine Probleme 50 km/h zu fahren, sodass ich für die zweite Radrunde einen Schnitt von 36 km/h hinlegen konnte.
So konnte es weiter gehen, dachte ich mir und rechnete mir insgeheim schon eine Traumzeit von unter 11 Stunden aus. Doch spätestens nach dem zweiten Turn als es wieder in Richtung Norden ging, hatte es sich ausgeträumt und ich war wieder auf dem harten Boden der Tatsachen bzw. des Autobahn-Asphalts „Eastlink“ angekommen. Der Wind hatte subjektiv noch einmal zugelegt, sodass ich von Kilometer 90 bis 135 nur einen Schnitt von ca. 26 km/h gefahren bin, was im Vergleich zu 4 km mehr in der ersten Runde schon deutlich langsamer ist.
Doch auch auf dem Rückweg war ich dann verglichen 4 km langsamer, sodass ich letztlich bei einem immer noch zufriedenstellenden Schnitt von ca. 30,7 km/h auf den 180 Kilometern gelandet bin – was auf meinem Alu-Einsteigerrad Scott Speedster S50 völlig in Ordnung ist. Schon etwas müde, aber immer noch wohlauf ging es dann auf die Laufstrecke.
Das Laufen
Eindeutig meine Lieblingsdisziplin und nach meinen bisher zwei gelaufenen Marathons in München und Bad Füssing wusste ich, was da auf mich wartete. 42 lange Kilometer, die ich aber auf jeden Fall überstehen würde.
Bis zum Halbmarathon war ich auch auf einem soliden 4-Stunden-Kurs für die Laufdistanz, doch danach gingen mir dann leider ein wenig die Körner aus. Ich hatte zwar auf der Radstrecke alles Mögliche an Essbarem in mich hineingestopft – u.a. 2 Bananen, ein paar Carbohydrate-Gels und vier Energie-Riegel, wobei ich für den letzten Riegel zwischen Kilometer 135 und 140 locker 10 Minuten gebraucht habe, um den irgendwie in mich zu bekommen; doch irgendwann geht einem halt doch die Kraft aus. Viele Triathleten konnten den Marathon nur noch gehen, doch ich wollte zumindest laufend ins Ziel kommen.
Insgesamt bin ich dann einen Schnitt von 6:30 min/km über die 42,2 km gelaufen wie man bei meinen Splits auf ironman.com nachlesen kann. Das ist jetzt nicht sonderlich berauschend, doch insgesamt wohl ganz ok.
Ich hatte ja während der letzten Wochen eine Zielzeit von 11:30 h angepeilt, wollte aber auf jeden Fall unter 12:00 h bleiben, was dann auch geklappt hat. Ein sogenannter „daylight finish“ beim Ironman ist doch schon was!
Doch jetzt tun sich natürlich neue Ziele am Triathlon-Horizont auf. Mein neues Ziel lautet erst einmal, einen „Ironman sub 11“ zu finishen, was mit einem ordentlichen Triathlonrad und noch etwas professionellerem Training beim nächsten Anlauf gut machbar sein sollte. Und wer weiß, vielleicht klappt es ja dann in ein paar Jahren auch mit der Qualifikation für die Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii…ein bisschen träumen muss auf jeden Fall erlaubt sein…:D
Super Bericht und auch eine super Leistung. Merkt man nach dem Wettbewerb dann noch den Bienenstich oder ist das dann schon verstoffwechselt?
Hi Maik,
den Bienenstich hab ich eigentlich so richtig erst zwei Tage später gemerkt – die Stelle ist dann auch nochmal schön angeschwollen, aber mittlerweile ist alles wieder ok, und das Training für den nächsten Triathlon in knapp zwei Wochen hat auch schon begonnen:D
Klasse John, die erste Langdistanz und dann unter 12 Stunden. Respekt.
YOU ARE AN IRONMAN!!!!
Hallo Günter,
vielen Dank für die Blumen! Du hast mich ja damals maßgeblich zu dem Ganzen animiert – vielen Dank nochmal dafür:D Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja mal bei dem ein oder anderen Trainingslager…entweder auf Mallorca oder auf den Philippinen;)
Respekt nicht jedermann’s Sache, meine z.B. Und für die Meisterschaften auf Hawaii gönne ich dir das es klappt, denn wer nicht träumt hat nicht die Kraft zu gewinnen
Hut ab vor deiner Leistung! 🙂 Das Ironman Event ist wirklich faszinierend und es ist immer wieder spannend, darüber etwas zu lesen.
Was eine tolle Leistung. Respekt dafür!
Habe selber auch schon mal bei einem Triathlon mitgemacht, und meiner Meinung nach gibt es nichts gleichwertiges was das Gefühl währenddessen angeht und danach, wenn man den „Wettkampf“ beendet hat. Auch das Gefühl des extremen Muskelkaters – gerade verursacht durch den Druck im Schwimmen bzw. im Wasser was sehr unfassbar an die Substanz geht – ist unfassbar gut, weil man quasi merkt wie sich die neuen Muskeln bilden.
Man kann nur jedem empfehlen so einen Wettkampf nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und frühzeitig anzufangen zu trainieren. Zusätzlich wusste ich gar nicht, dass wir damals Ohrenstöpsel fürs Schwimmen gebraucht hätten.
Alles Gute und ganz viel Erfolg weiterhin.
Robert