Gestern ging bzw. lief es bzw. ich von Mammendorf ins heimatliche Baindlkirch, bisher aus läuferischer Sicht sozusagen Neuland für mich, da ich diese Strecke bisher immer nur mit dem Fahrrad gefahren war. Als Laufanfänger ist einem ja kaum bewusst, welche Distanzen man in der Lage ist, zu bewältigen. Strecken von 5 km können einem da schon richtig Angst machen. Doch irgendwann gehören die regelmäßigen 10 km Läufe zum Alltag, und vor 20 km Läufen schreckt man auch nicht mehr zurück.
Vor Monaten wäre es mir auch nicht wirklich in den Sinn gekommen, von Mammendorf nach Baindlkirch zu joggen, mitten auf der Landstraße, ca. 11 km; doch heute denke ich mir: warum nicht? Und siehe da, an einem Freitagabend zwischen halb 9 und halb 10 begegnen einem Läufer bisweilen genau ein Auto und ein Radfahrer. Unglaublich, aber wahr.
Meine Großmutter – Gott bzw. jenes höhere Wesen, das wir verehren, hab sie selig – meinte einst auf ihrem ersten und letzten Besuch in Europa bzw. in unserem Weißwurstvillage im Alter von etwa 70 Jahren: „very peaceful here in your place“, was noch recht euphemistisch formuliert war. Echte Städter würden die Dörfer zwischen Augsburg und München vor allem abends als tendenziell „tot“ bezeichnen. Ich finde es schön ruhig und erholsam.
Einfach mal querfeldein zu laufen und die Ruhe vor dem rosa schimmernden Sonnenuntergang zu genießen. Den nicht vorbeifahrenden Autos zuzuhören und den Tieren im Wald. Das duftende Holz der großen Schreinerei zu riechen und die Wärme des Waldes zu spüren. Je näher man ans heimische Dorf kommt, desto vertrauter wird alles; man grüßt sich, obzwar man sich nicht immer kennt, doch das gehört einfach dazu. In der Stadt passiert so etwas nur immer mit einem Verwirrten oder Betrunkenen.
Auf diesen Läufen quer durch die Prärie bekommt man ein völlig neues Gefühl für Distanzen, eine neue Beziehung zu den Ortschaften und den Verhältnissen zueinander. Immer wieder aufs neue tun sich unentdeckte Wege auf, die einen immer wieder überraschen. Ich vermisse nicht einmal meinen iPod, der neulich seinen Geist aufgegeben hat; früher hatten sie ja auch keine Stöpsel in den Ohren, liefen vielleicht intensiver, im Sinne von noch mehr „bei sich selbst“ und vielleicht bewusster bzw. sogar auch selbstbewusster.
Auf Läufen durch die Prärie bzw. Natur kann ich auch gerne auf Musik verzichten, doch in der Stadt sieht das dann vermutlich anders aus. Ewig die gleichen Runden zu drehen könnte einmal langweilig werden, bisher ging es noch ganz gut, hat etwas meditatives.
Normalerweise sollte ich heute irgendwo im Schwabenländle sein und einer Hochzeit beiwohnen; doch unverhofft kommt bekanntlich oft, und aus einer Trauung wurde eine Beerdigung hier im heimatlichen Dorf. Erst im Februar war der Ehemann verstorben, nun folgte die fleißige Frau, Mutter und Großmutter. Ich werde sie vermissen, wie sie tagaus tagein auf ihrem Bauernhof gearbeitet haben, freundliche Leute vom Land, wie ich sie immer gerne in Erinnerung behalten möchte.
Der morgige Lauf soll ihnen gewidmet sein, wieder mal über 21,1 km, ein spontaner Halbmarathon im Rahmen des Stadtlaufs in München. Dieser wird zwar nicht so schön ruhig verlaufen, aber immerhin auch ein wenig durch die Natur, den englischen Garten führen.